In vielen Artikeln oder Pressemeldungen zu wissenschaftlicher Forschung wird davon geschrieben, dass etwas bewiesen wurde oder eindeutig festgestellt. Diese Formulierungen stören mich, da sie im Grunde falsch sind. Warum das so ist und was das sogenannte Falsifikationsprinzip ist, erkläre ich dir in diesem Artikel.
Inhalt
Was ist eine Hypothese
Zuerst ist wichtig zu verstehen, wie Wissenschaft funktioniert – also wie man zu einem Ergebnis kommt, über das dann berichtet wird. Am Anfang steht die Neugier etwas zu einem Thema herauszufinden. Vielleicht fragst du dich, ob Haustiere Einfluss darauf haben, wie glücklich Menschen sind.
Dann informierst du dich: was wurde schon geforscht zu dem Thema, was wurde herausgefunden? Auf dieser Basis entwickelst du eine Hypothese. Eine Hypothese ist eine Annahme, die zunächst weder bewiesen noch widerlegt ist. Sie ist ein Hilfsmittel, wie ein Werkzeug. Deine Hypothese könnte sein: „Menschen mit Haustieren sind glücklicher als Menschen ohne Haustiere“.
Als nächstes geht es darum, diese Hypothese zu überprüfen. Mit welchen Experimenten oder Versuchen kannst du deine Hypothese testen? In unserem Beispiel musst du dir zunächst überlegen, wie man glücklich sein testen kann. Also legst du Kriterien fest, die du genau definieren musst und die man abfragen können muss. Zum Beispiel könntest du Menschen mit Haustieren und ohne Haustiere in einem Fragebogen nach ihrem Leben und ihrer Zufriedenheit befragen.
Nullhypothesen
Die Informationen, die du in deinen Versuchen gesammelt hast, musst du nun analysieren. Dabei vergleichst du zwei Gruppen: „Menschen mit Haustieren“ und „Menschen ohne Haustiere“. Deine ursprüngliche Hypothese war ja „Menschen mit Haustieren sind glücklicher als Menschen ohne Haustiere“. Das bedeutet, laut deiner Hypothese gibt es einen Unterschied zwischen den beiden Gruppen – das ist deine Arbeitshypothese. Dagegen stellt man die sogenannte Nullhypothese auf. Diese bezeichnet die Annahme, dass es keinen Unterschied zwischen den Gruppen gibt, sie ist das Gegenteil der Arbeitshypothese. In unserem Beispiel lautet die Nullhypothese: „Menschen mit Haustieren sind genauso glücklich wie Menschen ohne Haustiere“.
Um Ergebnisse von Versuchen zu analysieren benutzt man die Methoden der Statistik. Je nachdem wie ein Versuch aufgebaut ist, wie viele Gruppen es gibt und wie viele Proben man untersucht hat, gibt es andere statistische Tests, die man anwenden kann. In unserem Fall vergleichen wir die Ergebnisse des Fragebogens der beiden Gruppen. Wenn wir einen Unterschied sehen, stellt sich die Frage, ob er statistisch signifikant ist. Wenn die Wahrscheinlichkeit, dass die Nullhypothese zutrifft, bei unter 5 Prozent liegt, dann ist sie so unwahrscheinlich, dass wir sie verwerfen und an ihrer Stelle die Arbeitshypothese annehmen oder beibehalten dürfen.
Das ist etwas kompliziert, deswegen gehen wir das mal langsam durch. In statistischen Tests wird immer von der Nullhypothese ausgegangen. Bei uns geht der Test also davon aus, dass Menschen ohne und mit Haustieren gleich glücklich sind. Dann testet er wie wahrscheinlich es unter dieser Annahme ist, dass du deine Daten in deinen Versuchen herausbekommst. Wenn diese Wahrscheinlichkeit unter 5 Prozent ist, ist es unwahrscheinlich, dass die Nullhypothese zutrifft. Dann darf man sie verwerfen oder auch ablehnen. Stattdessen darf man jetzt die Arbeitshypothese annehmen oder beibehalten.
Trotzdem nichts bewiesen
Wenn man eine Hypothese annimmt oder beibehält, ist sie aber noch nicht bewiesen! Denn wir haben ja nur herausgefunden, dass die Annahme „Menschen mit Haustieren sind genauso glücklich wie Menschen ohne Haustiere“ unwahrscheinlich ist. Warum das aber genau der Fall ist, und ob die Haustiere der Grund sind, haben wir nicht getestet und damit auch nicht bewiesen. Vielleicht gehen mit Menschen mit Haustieren öfter nach draußen und das ist der eigentliche Grund, warum sie glücklicher sind.
Deswegen werden in der Wissenschaft die Hypothesen angenommen, für die die meisten Versuche sprechen. Diese sind einfach am wahrscheinlichsten – aber eben nicht bewiesen. Eine Hypothese gilt so lange als angenommen, bis sie widerlegt wird. Also bis neue Versuche und Ergebnisse dafür sorgen, dass die momentan geltende Hypothese diese Ergebnisse nicht mehr gut genug erklären können. Das bedeutet, wenn ich eine neue Idee und daraus Arbeitshypothese entwickle und diese belegen will, muss ich ihre Nullhypothese widerlegen. Wenn man eine Hypothese widerlegt, dann wird sie falsifiziert – als falsch empfunden. Deswegen nennt sich dieses ganze Prinzip das Falsifikationsprinzip.
Wissen wir überhaupt irgendetwas
Aber wie kann man dann überhaupt irgendetwas wissen? Wenn eine Hypothese mit den verschiedensten Experimenten und Versuchen getestet wurde und diese nie widerlegt wurde und wenn neue Hypothesen, die auf ihr aufbauen, auch nicht widerlegt wurden, gilt eine Hypothese irgendwann als Theorie.
Ein Beispiel dafür ist, dass die Sonne im Mittelpunkt unseres Sonnensystems ist, nicht die Erde. Diese Hypothese wurde das erste Mal von dem indischen Philosophen Yajnavalkya im 9. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung aufgestellt. In Europa wurde diese Hypothese das erste Mal von Aristarchus von Samos gegen 300 vor unserer Zeitrechnung aufgestellt. Beide Male wurden diese Hypothesen jedoch verworfen, weil es nicht genug Beweise dafür gab. Erst durch die drei Wissenschaftler Nicolaus Copernikus, Galileo Galilei und Isaac Newton wurden im 16. und 17. Jahrhundert so viele Erkenntnisse gesammelt, dass sich die vorherige Annahme, die Erde befindet sich im Mittelpunkt unseres Sonnensystems, nicht mehr halten konnte. Heutzutage gilt das als bewiesen, weil so viele Daten gesammelt wurden, die diese Hypothese unterstützen.
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