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Was sind Antibiotika?

Bakterien in Petrischale

Photo by Michael Schiffer on Unsplash

Antibiotika sind eine der bekanntesten Medikamentengruppen und eine riesige Errungenschaft in der Medizin. Allerdings gibt es auch Nachteile von Antibiotika und sie werden oft falsch eingesetzt. Was genau sind Antibiotika also und wogegen helfen diese Medikamente?

Definition Antibiotika

Das Wort Antibiotikum kann man aufteilen in anti und biotikum. Die beiden Wörter kommen aus dem Griechischen und heißen zusammen übersetzt gegen das Leben. Und das ist auch die Wirkung von Antibiotika: sie wirken gegen Leben, und zwar gegen das Leben von Bakterien. Bakterien sind sehr kleine Organismen (Mikroorganismen), die nur aus einer Zelle bestehen. Es gibt überall unglaublich viele Bakterien – auch in unserem Körper, vor allem im Darm. Antibiotika behindern das Wachstum von Bakterien oder töten sie sogar. Aber gegen andere Mikroorganismen, wie zum Beispiel Pilze oder Viren helfen Antibiotika nicht.

Entdeckung von Antibiotika

Die meisten Antibiotika kommen entweder direkt oder leicht abgewandelt aus der Natur. Viele Pilze, die draußen in der Natur wachsen, geben zum Beispiel Stoffe ab, mit denen sie Bakterien abwehren können. Aber auch Bakterien selber produzieren Antibiotika: damit schalten sie andere Bakterien aus, mit denen sie um Nährstoffe konkurrieren.

Und so wurden Antibiotika auch entdeckt: indem Forscher*innen in ihren Laboren beobachtet haben, dass bestimmte Bakterien rund um bestimmte Pilze nicht gewachsen sind. Vielleicht kennst du die Geschichte von Alexander Fleming, der dafür bekannt ist, Penicillin entdeckt zu haben, das ebenfalls ein Antibiotikum ist. Er hatte 1928 vergessen, während eines Urlaubs sein Labor aufzuräumen und Bakterien, die er für seine Forschung gezüchtet hatte, wegzuschmeißen. Als er wiederkam, hatte sich ein Schimmelpilz ausgebreitet, der Penicillin abgibt und so das Wachstum dieser Bakterien verhindert hatte.

Allerdings stimmt es nicht, dass Alexander Fleming als Erster Penicillin entdeckt hat. Schon ungefähr 50 Jahre vorher gab es von verschiedenen Wissenschaftlern Beschreibungen dieser Art. Vor allem der damals 23 Jahre alte französische Medizinstudent Ernest Duchesne hat den Nutzen gesehen, den so ein Stoff in Menschen haben kann. Er hat schon im Jahr 1897 Experimente mit Meerschweinchen gemacht, in denen er gezeigt hat, dass eine Spritze mit dem Pilz gegen Infektionen (das Eindringen von Bakterien in den Körper) schützt. Allerdings wurden seinen Arbeiten und Erkenntnissen nicht wirklich Beachtung geschenkt, wohl weil er noch so jung und unbekannt war.

Selbst nachdem Alexander Fleming die antibakterielle Wirkung von Schimmelpilzen entdeckt hat, hat er nicht daran geglaubt, dass man das in der Medizin anwenden kann. Erst im zweiten Weltkrieg, als viele Menschen an lebensbedrohlichen Infektionen erkrankt waren, wurde die genaue Substanz gesucht, die der Schimmelpilz abgibt. Dazu gab es ein Team aus Wissenschaftler*innen in Oxford, England rund um den Forscher Howard Florey. In dem Team waren Personen aus vielen verschiedenen Richtungen der Wissenschaft, zum Beispiel auch die spätere Chemienobelpreisträgerin Dorothy Hodgkin.

1941 konnte man dann genug Penicillin produzieren, dass man eine klinische Studie an Menschen durchführen konnte. Die hat erstaunliche Wirkung gegen bakterielle Infektionen gezeigt, und Penicillin wurde das Hauptmedikament dagegen. Am Anfang war Penicillin allerdings nur dem Militär zugänglich und nicht der breiten Öffentlichkeit.

Golden Age – Hochpunkt der Antibiotika-Entdeckung

Die meisten Erfolge in der Entdeckung von neuen Antibiotika konnten zwischen 1940 und 1960 gefeiert werden. Die Antibiotika werden in Familien eingeteilt, die eine ähnliche chemische Struktur haben. Die Penicilline sind zum Beispiel eine große Antibiotikafamilie mit über 20 verschiedenen Antibiotika. Im Jahr 1943 wurde die Antibiotikafamilie der Aminoglykoside entdeckt. Dies war ein großer Erfolg, weil die Aminoglykoside gegen Bakterien wirken, gegen die Penicillin nicht hilft. Denn es gibt sehr unterschiedliche Bakterien und bestimmte Stämme sind resistent gegenüber bestimmten Antibiotika. Das bedeutet, die Antibiotika zeigen keine Wirkung. Nach 1960 ging jedoch die Zahl an neuen Antibiotika sehr stark runter. Erst über 30 Jahre später im Jahr 2015 wurde eine neue Antibiotikafamilie zugelassen.

Einsatz von Antibiotika

Wogegen werden Antibiotika denn am häufigsten eingesetzt? Vor allem bei Infektionen der Atemwege, wie zum Beispiel einer Lungenentzündung, aber auch bei anderen bakteriellen Infektionen. Dazu gehören Mittelohr- und Nasennebenhöhlenentzündungen. Ein anderes Einsatzgebiet sind Harnwegs- und Blaseninfektionen. Zudem werden Antibiotika oft vor Operationen oder auch operativen Eingriffen wie der Entfernung der Weisheitszähne verschrieben, um zu verhindern, dass man sich dabei mit Bakterien infiziert.

Antibiotikaresistenzen

So vielen Menschen Antibiotika auch helfen, so gefährlich ist ihre übermäßige Einnahme. Denn immer mehr Bakterien entwickeln eine Resistenz gegen Antibiotika. Dann kann man diese Bakterien nicht mehr mit den Antibiotika bekämpfen. Besonders gefährlich ist es, wenn ein Bakterium gegen mehrere Antibiotika resistent ist. An Infektionen mit solchen Bakterien sterben weltweit ungefähr 700 000 Menschen pro Jahr. Und falls sich der momentane Trend fortsetzt, könnte sich diese Zahl bis zum Jahr 2050 auf 10 Millionen erhöhen.

Solche Resistenzen entstehen, weil einzelne Bakterien Veränderungen in ihrem Erbgut haben, die den Antibiotika ihren Angriffspunkt wegnehmen. Es gibt Antibiotika, die ein bestimmtes Eiweiß in der Zellwand von Bakterien angreifen, wodurch die Bakterien nicht mehr wachsen können. Wenn dieses Eiweiß verändert ist, wirken die Antibiotika nicht mehr. Genau diese Bakterien überleben jedoch natürlich und können sich weiter ausbreiten. Es ist also ein Rennen zwischen der Medizin und den Bakterien. Die Medizin bekämpft Bakterien und entwickelt neue Antibiotika. Die Bakterien verändern sich und entwickeln Resistenzen gegen eben diese Antibiotika. Dadurch gibt es bestimmte Bakterientypen, gegen die nur noch sehr wenige Antibiotika wirken. Je mehr Antibiotika verschrieben und eingenommen werden, desto mehr verbreiten sich Resistenzen unter den Bakterien.

Es gibt verschiedene Gründe für die falsche Einnahme von Antibiotika. Einer ist mangelndes Wissen und Bewusstsein für Antibiotika. In Europa weiß zum Beispiel 44% der Bevölkerung nicht, dass Antibiotika nicht gegen eine normale Erkältung oder die Grippe helfen. Da eine Erkältung meist und die Grippe immer durch Viren und nicht durch Bakterien ausgelöst werden, wirken Antibiotika nicht. In der EU bekommt man Antibiotika eigentlich nur auf Rezept, aber es gibt sehr viele Länder, in denen man sie auch ohne Rezept in Apotheken und manchmal sogar Drogerien bekommt.

Aber auch viele Ärzt*innen müssen ihr Verhalten ändern. Besonders in hausärztlichen Praxen werden häufig sogenannte Breitspektrum-Antibiotika verschrieben. Diese wirken gegen eine große Zahl an verschiedenen Bakterien. Das führt aber auch zu mehr Resistenzen als andere Antibiotika, die nur gegen einen bestimmten Bakterientyp wirken. Das heißt es wäre besser, wenn genau untersucht wird, an was für einem Typ Bakterium jemand erkrankt ist und dann ein Antibiotikum speziell dagegen verschrieben wird. Diese Untersuchung dauert nur leider ein paar Tage und ist in oft eh schon überfüllten Praxen ein zusätzlicher Aufwand.

Es gibt auch Ärzt*innen, die sich von ihren Patient*innen unter Druck gesetzt fühlen, Antibiotika zu verschreiben. Gerade in Zeiten von Online-Bewertungsportalen befürchten einige Ärzt*innen öffentliche Kritik, wenn sie dem Wunsch eines*r Patient*in nach Antibiotika nicht nachkommen. Dieser Wunsch nach Antibiotika ist oft den fehlenden Kenntnissen der Patient*innen zuzuschreiben, die Antibiotika als Wunderwaffe gegen diverse Krankheiten kennengelernt haben.

Gefahren durch Antibiotika

Eine zu starke und langanhaltende Einnahme von Antibiotika birgt noch weitere Nebenwirkungen als eine Resilienz. In unserem Verdauungstrakt, vor allem unserem Darm, wohnen sehr viele Bakterien. Alle Mikroorganismen, die im Darm wachsen, werden Darmflora genannt. Diese ist wichtig bei der Verdauung, dem Energiestoffwechsel und auch beider Bekämpfung von Entzündungen. Antibiotika, und vor allem Breitspektrum-Antibiotika, haben auch eine Wirkung auf diese guten Bakterien. Bei Einnahme von Antibiotika ändert sich also die Zusammensetzung und Komplexität der Darmflora. Das passiert schon bei kurzfristiger Einnahme und vor allem bei Babys und Kleinkindern bis 2 Jahre.

Diese Veränderungen stören die Balance der Darmflora und kann Antibiotika-Resistenzen unter Bakterien verbreiten. Das kann dann gerade dazu führen, dass man eine Infektion im Darm mit Bakterien bekommt.

Antibiotika in Masttieren

Lange war es üblich, Antibiotika an Tiere in Mastbetrieben zu geben, weil sie deren Wachstum fördern. Zudem können sich Krankheiten bei vielen Tieren auf kleinem Raum schnell verbreiten und die Antibiotika wurden vorsorglich gegeben. Das ist inzwischen in Deutschland nicht mehr erlaubt. Antibiotika dürfen nur angewendet werden, wenn es sicher ist, dass die Tiere wirklich mit Bakterien infiziert sind. Trotz allem wurden im Jahr 2017 in Deutschland für Tiere, die Lebensmittel produzieren (zum Beispiel Eier oder Milch) oder deren Fleisch gegessen wird, über 750 Tonnen (also 750 000 Kilo) Antibiotika verkauft. Das ist problematisch, weil sich auch im Darm von Tieren Bakterien befinden, die Resistenzen entwickeln und sich dann auf den Menschen ausbreiten können.

Antibiotika-Einnahme geht zurück

Gerade wegen der steigenden Antibiotika-Resistenzen wird in Deutschland, aber auch in der EU und weltweit, versucht, die Antibiotika-Einnahmen zu reduzieren. Deutschland hat von 2009 bis 2018 seinen Verbrauch um 1,6% reduziert. Im Vergleich zur EU steht Deutschland zudem relativ gut da: 2018 ist Deutschland auf Platz 7 des geringsten Antibiotika-Konsums. Nichtsdestotrotz gibt es Bakterientypen, deren Anteil an resistenten Bakterien stark steigt. Zum Beispiel hat sich der Anteil der resistenten Bakterien des Typs Enterococcus faecium gegenüber dem Antibiotikum Vancomycin zwischen 2015 und 2018 mehr als verdoppelt und liegt damit über dem europäischen Mittelwert.

Zusammenfassung

Antibiotika sind also ein sehr mächtiges Mittel im Kampf gegen bakterielle Infektionen und haben viele Leben gerettet. Andererseits müssen wir dafür sorgen, dass wir uns dieses Mittel nicht selbst wegnehmen, indem wir leichtfertig damit umgehen und sich Antibiotika-Resistenzen entwickeln können. Es ist wichtig zuerst herauszufinden, ob es sich um eine bakterielle Infektion handelt und nicht um eine virale Infektion. Dann sollte auch getestet werden, welcher Bakterientyp involviert ist, um ein spezifisches Antibiotikum verschreiben zu können.

In Deutschland sehen wir, dass zahlreiche Initiativen dabei helfen, die Einnahme von Antibiotika zu senken und damit auch den Resistenzen entgegen zu wirken. Dies funktioniert aber nur nachhaltig, wenn sich dieser Trend weltweit entwickelt.

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