Fast alle von uns haben sie im Haus und nehmen sie regelmäßig ein – Medikamente. Wenn du eine Erkältung hast, nimmst du zum Beispiel Hustensaft, oder bei Kopfschmerzen ein Aspirin. Doch wie werden sie eigentlich entwickelt und wann dürfen Medikamente verkauft werden? Das erkläre ich dir in diesem Blogartikel.
Die Entwicklung eines Medikaments ist in zwei Phasen eingeteilt:
1. die Entwicklung eines Wirkstoffes
2. die Prüfungen und die Zulassung
In diesem Artikel geht es um den zweiten Teil, also die Prüfungen und die Zulassung eines Medikaments. In einem anderen Artikel kannst du über die Entwicklung eines Wirkstoffes lesen.
Inhalt
Klinische Prüfungen
Nachdem in den vorklinischen Prüfungen gezeigt wurde, dass ein Wirkstoff nicht giftig ist, beginnen die klinischen Prüfungen. Das sind Studien, in denen der Wirkstoff an Menschen getestet wird. Was man genau testen muss, ist unter anderem im Arzneimittelgesetz festgelegt. Diese Prüfungen sind in mehrere Phasen aufgeteilt.
Phase I
In Phase I wird der Wirkstoff an einer kleinen Gruppe gesunder Menschen (60-80 Personen) getestet. Es wird geprüft, ob der Wirkstoff im menschlichen Körper doch Schaden anrichten kann. Außerdem wird getestet, ob der Wirkstoff dort im Körper ankommt, wo er hin soll (zum Beispiel in den Kopf wenn er gegen Kopfschmerzen helfen soll) und ob er lange genug dort bleibt. Es werden also die Ergebnisse aus den vorklinischen Prüfungen im Menschen überprüft.
Dann wird geschaut, in welcher Form man den Wirkstoff am besten gibt. Also zum Beispiel zum Schlucken als Tablette oder als Spritze. Das hängt unter anderem davon ab, wo der Wirkstoff hin und wie schnell er dort wirken soll. Wenn diese Fragen beantwortet wurden, geht es in die nächste Phase.
Phase II
In der Phase II wird das Medikament an einer etwas größeren Gruppe an Patienten (100-500 Personen) getestet. Hierbei wird geschaut, ob der Wirkstoff tatsächlich wirkt. Außerdem wird geguckt, wie viel man von dem Wirkstoff geben muss, damit er wirkt (die Dosierung).
Phase III
In der Phase III wird das Medikament an einer sehr großen Gruppe an Patient*innen (mehr als 1000 Personen) getestet. Manchmal kommen diese Patient*innen auch aus mehreren verschiedenen Ländern. Es wird geprüft, ob das Mittel vielen verschiedenen Menschen hilft, zum Beispiel auch, wenn sie schon andere Medikamente nehmen. Außerdem wird noch einmal getestet, ob die Dosierung stimmt. Erst wenn das alles überprüft wurde, kann man die Zulassung beantragen. Das bedeutet, dass das Medikament von der Behörde als ok eingestuft wurde und verkauft werden darf.
Studienteilnehmende
Alle Menschen, egal ob gesund oder krank, die bei den Studien mitmachen, machen das freiwillig. Niemand darf gezwungen werden an einer Studie teilzunehmen, denn es gibt immer auch Risiken. Teilnehmende müssen vorher alle Informationen bekommen, auch welche schlechten Wirkungen eintreten können.
In Phase II und III werden oft mehrere Patientengruppen miteinander verglichen. Zum Beispiel bekommt eine Gruppe das Medikament und die andere Gruppe ein Placebo. Ein Placebo sieht genauso aus wie ein Medikament, hat aber keinen Wirkstoff. Manchmal hilft es nämlich schon, wenn man nur denkt, dass man einen Wirkstoff nimmt. Am besten ist es, wenn solche Studien doppelblind sind. Das heißt die Patienten und die Ärzt*innen wissen nicht, wer das Medikament und wer das Placebo bekommt. Das ist wichtig, weil die Erwartung oder Hoffnung eine bestimmte Wirkung zu sehen, die Ergebnisse verändern kann.
Wenn getestet wird, ob das Medikament besser ist als ein anderes Medikament, das es schon gibt, kann der Studienaufbau anders sein. Stell dir vor, jemand hat ein schlechtes Herz und braucht das Medikament. Dann kann man nicht nur ein Placebo geben! Diese Patienten bekommen dann alle das alte Medikament und zusätzlich bekommt eine Hälfte das neue Medikament und die andere Hälfte ein Placebo.
Ab der Phase II müssen Männer und Frauen untersucht werden. Aber in Phase I kann der Wirkstoff auch nur an Männern getestet werden. Das wird damit begründet, dass man in Phase I die allgemeine Sicherheit des Medikaments testet. Das gehe am besten, wenn die Teilnehmenden keine unterschiedlichen Level der Botenstoffe im Körper haben, wie es bei menstruierenden Frauen der Fall ist. Dabei möchte ich aber betonen, dass auch Männer unterschiedliche Level ihrer Botenstoffe haben.
Zulassung
Wenn alle klinischen Prüfungen erfolgreich beendet wurden, kann man die Zulassung des Medikaments beantragen. In der EU gibt es dafür die europäische Arzneimittelagentur (EMA). In Deutschland gibt es außerdem noch das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) und das Paul-Ehrlich-Institut. Diese Institute sind für die Zulassung, Sicherheit und Überprüfung von Medikamenten und Medizinprodukten (zum Beispiel Röntgengeräte) zuständig.
Wenn man eine Zulassung für ein Medikament beantragt, muss man die Ergebnisse der vorklinischen und klinischen Prüfungen abgeben und viele Angaben zu dem Medikament machen:
- wer stellt den Antrag und wer hat das Medikament produziert
- wie heißt das Medikament
- was ist alles im Medikament drin
- welche Form hat das Medikament (Tablette, Salbe, Kapsel, etc.)
- welche Wirkungen hat das Medikament
- wann wird das Medikament benutzt (gegen welche Krankheit)
- wann darf man das Medikament nicht benutzen (zum Beispiel, wenn man schwanger ist)
- was für Nebenwirkungen gibt es
- was passiert, wenn man gleichzeitig andere Medikamente einnimmt
- wie viel darf man von dem Medikament nehmen
- wie wird das Medikament hergestellt
- wie oft und wie lange darf man das Medikament nehmen
- was für Packungsgrößen gibt es (zum Beispiel eine Packung mit 15 Tabletten und eine mit 30 Tabletten)
- wie lange ist das Medikament gut und wie muss man es lagern
- wie wurde die Qualität des Medikaments untersucht
Wenn du dir schon einmal die Zettel, die in einer Medikamentenverpackung drin sind, durchgelesen hast, weißt du, dass das alles da auch geschrieben steht: der Beipackzettel.
So ein Antrag auf Zulassung kostet sehr viel Geld: bei der EMA muss man für die Zulassung eines Medikaments mit einem neuen Wirkstoff mindestens 260 000€ bezahlen. Deshalb können es sich oft nur große Unternehmen, die viel Geld haben, leisten ein neues Medikament zu entwickeln und zu verkaufen.
Trotzdem gibt es immer wieder viele neue Medikament. Das BfArM hat zum Beispiel im Jahr 2020 von Anfang Januar bis Ende Juli 646 Medikamente zugelassen. Darunter sind aber auch schon bekannte Wirkstoffe, die für neue Krankheiten zugelassen wurden.
Phase IV
Nachdem das Medikament zugelassen wurde und verkauft werden darf, wird es trotzdem weiter untersucht. Deswegen sagt man auch, es befindet sich in der Phase IV. Zum Beispiel schauen Ärzt*innen, wie ihre Patient*innen mit dem Medikament zurechtkommen. Es gibt zum Beispiel sehr seltene Nebenwirkungen, die man erst bemerkt, wenn ganz viele Menschen das Medikament benutzen. Wenn du eine Nebenwirkung von einem Medikament bekommst, solltest du das immer deiner*m Ärzt*in sagen. Diese geben die Information an die zuständigen Institute weiter und die Beipackzettel in den Medikamentenverpackungen werden aktualisiert.
Mehr Informationen
Hier sind einige Links, falls du noch mehr Informationen möchtest:
europäische Arzneimittelagentur
Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte
Paul-Ehrlich-Institut
Arzneimittelgesetz
Register klinischer Studien in der EU und in Deutschland
Infoseite forschender Pharmafirmen in Deutschland
Lilith
Voll interessant! Und derzeit ja auch total aktuell mit dem möglichen Corona-Impfstoff!
Danke für die gute Erklärung 🙂
Selene
Hallo Lilith,
danke für deinen Kommentar! Ja, das stimmt. Dadurch, dass die Behörden und Pharmaunternehmen dabei sehr eng zusammengearbeitet haben, konnte die Entwicklungs- und Prüfungszeit stark verkürzt werden.
Selene